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Dem Plastik auf der Spur: Schüler führen Tonnenkontrolle durch
Diepholz-Wagenfeld. Jugendliche gehen bei Flutlicht ihrem Fußballtraining nach, in den Straßen kehrt Ruhe ein, der Feierabendverkehr liegt um 19 Uhr schon zurück und die herbstliche Dunkelheit legt sich am Montag über den Diepholzer Ort Wagenfeld. Zu einer Uhrzeit, an der die meisten nur noch den Tag ausklingen lassen möchten, machen sich Tim, Julian, Ben und Lennard mit einer Taschenlampe und anderen Utensilien auf den Weg. Ihr Ziel: Die Biotonnen, die schon für die Abholung am nächsten Tag auf die Straße gestellt wurden. Die Schüler der Graf-Friedrich-Schule Diepholz führen zusammen mit Dominik Albrecht von der AWG Bassum eine Tonnenkontrolle in der Nachbarschaft durch. Die daraus erstellte Statistik wird Bestandteil einer Reportage, die das Quartett im Zuge des Projektes „Digitale Lernallianzen“ der Handwerkskammer Hannover.
„Digitale Lernallianzen“ fördert die Zusammenarbeit von Schülerinnen und Schülern mit Unternehmen. Im Zuge des Projektes lösen die Gruppen über mehrere Monate hinweg eine berufsbezogene Aufgabe. Die AWG hat sich hierfür je einer Klasse der KGS Leeste und der Graf-Friedrich-Schule Diepholz angenommen. „Da wir mit einer groß angelegten Kampagne momentan die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises über die Verunreinigung des Bioabfalls durch anorganische Abfälle aufmerksam machen, haben wir gedacht, wir binden auch unsere Schulgruppen mit in die Kampagne ein“, erklärt Dominik Albrecht, PR-Beauftragter der AWG Bassum. Um die Wichtigkeit der korrekten Abfalltrennung aufzuzeigen, sollen die Schüler eine Reportage zum Thema „Plastik in der Biotonne“ verfassen, die am Ende auf www.awg-bassum.de für alle einsehbar ist. Wie die Recherchen dazu aussehen, bleibt den Schülern überlassen, die AWG greift bei Bedarf unter die Arme.
Plastiktüten seien ein wiederkehrendes Ärgernis in der braunen Tonne. Aktuell würden vor allem vermeintlich „kompostierbare“ Plastiktüten ihren Weg in den Bioabfall finden. „Durch die Anbieter wird der Eindruck vermittelt, dass die Verbraucher mit dem Kauf etwas Gutes tun, immerhin sollen die Tüten sich ja komplett zersetzen“, schildert Albrecht. In Wahrheit gehören aber auch diese Tüten nicht in den Bioabfall. Der AWG-Mitarbeiter bezeichnet die Produkte daher als „ökologische Blindgänger“ und erklärt: „Damit die Tüten ,biologisch abbaubar‘ genannt werden können, müssen sie sich nach zwölf Wochen soweit zersetzen, dass nur noch zehn Prozent der Bestandteile größer als zwei Millimeter sind. Unser Kompostwerk erzeugt den Humus aber innerhalb einer erheblich kürzeren Zeit von acht Wochen.“ Im Ergebnis zerfallen nicht aussortierte Bestandteile in Mikroplastik und finden ihren Weg zurück in die Umwelt.
„Leuchte Mal in die, ich glaube, hier haben wir wieder etwas.“ Julian ist derweil auf etwas gestoßen, sofort kommt die Taschenlampe zum Einsatz. Eine Plastiktüte liegt auf dem sonstigen Grünabfall. Ein Aufdruck auf der Tüte bestätigt die Vermutung: ein Vertreter der „kompostierbaren“ Abfalltüten. Die Gruppe notiert die Art des Fehlwurfes auf den vorbreiteten Statistikbögen, nimmt einen Flyer mit erklärenden Infos für den Briefkasten aus dem Rucksack und bringt einen Aufkleber mit der Aufschrift „Trenn‘ dich hier und jetzt von deiner Plastiktüte“ auf der Biotonne an. Auf dem Weg zum Briefkasten stößt die Gruppe auf die dazugehörige Anwohnerin, die das Geschehen aus der Ferne beäugt hat. Mit dem Flyer in der Hand sucht Albrecht aktiv den Kontakt zu ihr. „Machen Sie sich keine Sorgen“, beruhigt er mit einem Lächeln und klärt über das Projekt auf. Die Anwohnerin reagiert mit Verständnis. „Ich wusste gar nicht, dass die biologisch abbaubaren Tüten da nicht reindürfen. Dann werde die nicht mehr nutzen“, erklärt sie.
Die Gruppe zieht weiter durch das Wohnviertel. 70 Behälter haben sie nach einer Stunde auf ihrem Weg durch die Straßen Am Entenplatz, Gänseweg, Schwanenweg, Storchenweg und Jettsfeld kontrolliert. „Ich hätte nicht gedacht, dass schon in den ersten zehn Tonnen direkt so viele Plastiktüten waren“, gibt Tim zu, der sich an die vier falsch befüllten Tonnen zu Beginn erinnert. Immerhin habe sich die Quote mit fortlaufender Kontrolle noch relativiert. 18 Behälter wiesen insgesamt Fehlwürfe auf. Lennard kann den Fehlwürfen aber auch positive Anzeichen entnehmen. „Man merkt, dass die Leute versuchen, umweltbewusst zu handeln.“ Ben pflichtet ihm bei, sieht aber auch, „dass die Leute nicht wissen, dass kompostierbare Plastiktüten doch nicht so gut sind. Da muss man mehr aufklären“. Daher seien die Aufkleber auf den Tonnen ein guter Ansatz.
Bleibt zum Schluss noch eine Frage: Wie bekommt man Schüler freiwillig dazu, in den Ferien an einem Schulprojekt zu arbeiten? Dominik Albrecht verweist auf ein starkes Engagement innerhalb der Gruppe. Als die Aufgabe gestellt wurde, sei eine Tonnenkontrolle als mögliches Instrument für die Reportage als Vorschlag genannt worden. „Die Vier haben dann von sich aus sofort signalisiert, dass sie das wirklich machen möchten, was an sich schon viel Mut erfordert. Das Ganze auch noch in der Ferienzeit zu machen, ist doppelt beachtlich - Hut ab“, richtet der PRler sein Lob an die Runde. Für die Gruppe war die Tonnenkontrolle eine Selbstverständlichkeit, wie Tim bestätigt: „Wir haben gedacht, dass das eine coole Idee ist für das Projekt, uns unterstützt und auch die Menschen praxisnah aufklärt.“